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Probefahrt ohne Pickerl?

Als »Pickerl« wird in Österreich die Prüfplakette an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs bezeichnet. Sie dient als Nachweis, dass die Richtlinien der Verkehrs- und Betriebssicherheit erfüllt sind. Die Grundlage dafür ist die Begutachtung des Fahrzeugs nach § 57a KFG.

 

Zum Paragraphen

Der Paragraph 57a schreibt vor, dass jeder Kfz-Besitzer in regelmäßigen Abständen sein Fahrzeug in die Werkstatt bringen muss, um es überprüfen zu lassen. Dabei wird nicht nur die Verkehrs- und Betriebssicherheit gecheckt, sondern beispielsweise auch, ob Umweltrichtlinien wie der Schadstoffausstoß eingehalten werden. Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Fahrzeuge, wie etwa Motorkarren mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Soweit es handelsübliche PKW, Motorräder oder LKW betrifft, kommen Fahrzeugbesitzer um diese Verpflichtung nicht herum.

Durchführen dürfen diese Überprüfung nur Begutachtungsstellen, die dazu ermächtigt sind. Bei den Werkstätten von Autofahrerclubs wie ARBÖ oder ÖAMTC ist man da auf der sicheren Seite. Aber auch kommerziell betriebene Werkstätten, die auch Reparaturen erledigen, haben normalerweise die erforderliche Berechtigung. In Niederösterreich sind das beispielsweise rund 1.300 Betriebe (Quelle, Link aufgerufen am 31.03.2023).

Probefahrt mit oder ohne Pickerl?

Laut Gesetz dienen Probefahrten unter anderem dazu, die Gebrauchs- und Leistungsfähigkeit eines Fahrzeugs festzustellen. Das kann natürlich auch im Zuge der § 57a Überprüfung erfolgen – also zu einem Zeitpunkt, an dem das Fahrzeug (noch) kein gültiges Pickerl hat. Aber auch die Fahrt zu einem Ort einer solchen Überprüfung zählt als Probefahrt.

Von daher liegt es also in der Natur der Sache, dass eine Fahrt mit blauem Kennzeichen auch ohne eine gültige Prüfplakette möglich ist.

»Dann mache ich’s einfach als Probefahrt«

Fakt ist, dass die blauen Taferl wesentlich billiger sind als die »normalen« Kennzeichen, denn für Kfz-Steuer, Versicherung & Co muss da nicht ganz so tief in die Tasche gegriffen werden. Weil sie auch an Fahrzeugen angebracht werden dürfen, die eigentlich keine Zulassung mehr bekommen, scheinen sie auch für deren Besitzer eine spannende Variante zu sein.

Das dicke Ende kommt, wenn man erwischt wird, denn dann gibt es gleich an mehreren Fronten Probleme: einerseits natürlich mit der Versicherung, andererseits aber auch mit der Finanz (wegen der Steuer). Und nicht zuletzt blüht eine Verwaltungsstrafe, die im Wiederholungsfall saftig ausfallen kann. Der Entzug der Berechtigung zur Durchführung von Probefahrten ist schließlich das Tüpfelchen auf dem I.

Dass es den Behörden ernst ist, zeigt eine Verschärfung des Kraftfahrgesetzes aus dem Jahr 2016. Seit damals ist eine Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamts nötig, um die Probefahrtbewilligung zu erhalten. Mehr dazu findet sich etwa in einem Artikel (Link aufgerufen am 31.03.2023) der Oberösterreichischen Nachrichten.

Aber auch schon vor 2016 legten die Gerichte im Fall des Falles die Kriterien für Probefahrten sehr eng aus, wie etwa ein Urteil aus dem Jahr 2015 zeigt, das in diesem Beitrag erwähnt wurde.

Wenn es aber tatsächlich eine Probefahrt ist?

Selbst wenn eine Fahrt alle Kriterien für eine Probefahrt erfüllen würde, ist eine Fahrt mit einem Auto ohne Pickerl und Zulassung nicht automatisch erlaubt. Auch hier kommt das Kraftfahrgesetz ins Spiel, denn der erste Absatz des § 102 KFG nimmt alle Fahrzeuglenker in die Pflicht. Selbst ohne die Expertise eines Kfz-Mechanikers müssen auch Laien sich nach bestem Wissen und Gewissen sich davon überzeugen, dass eine Fahrt unbedenklich möglich ist. Mit anderen Worten: Sagt einem der Hausverstand, dass ein Fahrzeug nicht auf die Straße, sondern auf den Schrottplatz gehört, dann wird es wohl auch so sein, Probefahrtkennzeichen hin oder her.